Blueschtfährtlich zu den Hündli

Was Profis von Amateuren unterscheidet

Der Directeur sportif bei der Vorbesprechung eines Fototermins mit seinem Fahrer.

Nachdem ich gestern nach einer Wasser- und einer Wind-Etappe sowohl vom Directeur sportif («Amateur») als auch von Leserbriefschreibern in die Pfanne gehauen worden bin («Gejammer», «Rechtsdrall in Altdorf»), werde ich mich heute ins Feuer schreiben! Das fällt mir leicht, denn die Überquerung des Grossen St. Bernhards war nach den vorausgegangenen Etappen im besten Falle ein Blueschtfährtli zu den Samariterwauwaus, welche den Hündeler-Befehl «Fass!» erfunden haben.

 

Weil die Etappe fahrerisch praktisch nichts hergab (knapp drei Stunden opsi, dann eine Dreivierstelstunde apsi), will ich die Gelegenheit beim Schopf packen und die Arbeit meines Begleitteams gebührend würdigen.

 

Walo, unser Directeur sportif ist in jeder Beziehung ein Profi. Er hat alles im Griff. Selbst den entlegensten Bidon findet er schon nach wenigen Minuten in seinem Direktionsfahrzeug. Seit gestern weiss ich sogar die ganze Wahrheit über Walos Kugelschreiber: «Das unterscheidet Profi-Journalisten von Anfängern: Profis suchen immer was zum Schreiben.»! Und Salat isst er auch täglich. Nicht weil er Salat extrem gern hätte, sondern weil er zuhause täglich Salat essen muss und sich mittlerweile schon so daran gewöhnt hat... Der allabendliche Hinweis auf den Salat bietet aber regelmässig Gelegenheit, die Speisekarte nach Siegfahrer-adäquaten Kompositionen abzusuchen. Gesunde Ernährung muss schliesslich sein. Vorbildlich.

 

Weniger vorbildlich ist allerdings ist das Hottigersche Nachtleben. Da bricht aus Walo voll der Individualist heraus. In der ersten Nacht erkundigte sich ein Hotelgast bei Walo, ob «Anna im Bad» sei. Nach der zweiten Nacht grüsst und meldet er schlaftrunken und ohne Sandalen (!) dem Wecker im Fernsehapparat (das Missverständnis klärt sich nach wenigen Minuten auf). In Martigny beginnt der Directeur sportif am Frühstückstisch sein Wort zum Tag mit ausschweifenden Schilderungen über «eine heisse schwarze Katze», welche sich zu ihm ins Bett legte. Die hat er wohl rasiert, denn seither funktioniert sein elektrischer Rasierapparat nicht mehr. Und seit neuestem will Walo auch noch schwanger sein! Kein Witz! Aber wir haben es ihm ausgeredet.

 

Sportlich hingegen lässt Walo nichts anbrennen. Gestern mussten wir den neuen Tacho montieren und einstellen. Auf dem Pneu steht jedoch der Radumfang nicht in cm. Also messen. Und schon zaubert Walo eine Fischerschnur aus dem Necessaire (alle Directeurs sportifs der Welt haben so eine Schnur im Necessaire). Wir messen mit dem Lineal am Sackmesser den Radius des Rades aus, verdoppeln und multiplizieren mit Pi. Immerhin: Die Uhr am Tacho läuft genau. Wenn wir in Nizza nicht mehr als 100'000 km auf dem Tacho haben, dann kaufe ich mir für meine zweite Laufbahn als Directeur sportif auch so eine Fischerschnur.

 

Radromantik 

 

In Aosta kommen die Landesrundfahrtenromantiker in unserem Team voll auf ihre Kosten. «Zweistern-Hotel» ist für das «Il Caminetto» ein Euphemismus der Sonderklasse. Wie in den 50er und 60er Jahren. Der Directeur sportif hat das sofort adaptiert und fühlt sich wohl in seiner Mansarde. Er hat auch schnell begriffen, dass man in Italien a) hupen und b) falsch parkieren muss, wenn man zu was kommen will. Und das mit dem Euro hat er ebenfalls begriffen. Noch offen ist lediglich die Frage, weshalb ein Cappuccino in der Bar nebenan einmal 1.19 kostet und einmal 1.20. Doch das wird Walo herausfinden. Als Directeur sportif tut er alles, um seinem Team den Rücken freizuhalten.

 

Ein wahrer Profi eben.

 

Statistisches zur 3. Etappe: Martigny – Grosser St. Bernhard – Aosta; 82.2 km in 3.45 h (Höhendifferenz 1970 m; Schnitt 21.9 km/h). Persönliche fahrerische Ziele erfüllt.