Ordnung muss sein

Die Presse-Chefin zur Materialschlacht im Tapir Racing Team

In der ersten Etappe fast nur, in der zweiten schon bedeutend weniger, in der dritten praktisch gar keine mehr und in der vierten waren es gerade mal noch ein paar Sätze, die wir über’s Velofahren verloren haben. Jetzt, wo ich mich endlich voll und ganz auf die von mir verlangte Monothematik eingestellt hätte... Andere viel dringendere Probleme stehen an.

 

Meine beiden Begleiter - das heisst ich muss mich anders herum ausdrücken – also, ich begleite zwei äusserst ordnungsliebende Herren. Schon vor der Abfahrt kam die buchhalterische Gründlichkeit der beiden in diversen wohl durchdachten grafischen Kurven und aufs Gramm und die Minute genau aufgeschriebenen Trainigsrapporten zum Ausdruck.

Systematik ist alles.

Das Leben des Siegfahrers wurde sozusagen gläsern, damit sich der Directeur täglich über den Trainingszustand seines Schäfchens ein Bild machen konnte. Durchschnittsgeschwindigkeiten, Bergkilometer, Raddurchmesser, Ritzelzahlen, Sitzneigungswinkel und Sattelstützenlängen bestimmen seit Monaten deren beiden und somit auch mein Leben. Der immer militärisch werdende Tonfall tat das Seine dazu.

 

Alphabetisch geordnete Materiallisten wurden erstellt und Groggis im Auf- und Seitenriss für die Packsysteme dazu gezeichnet. Der Honda wurde ausgemessen und virtuell mit dem Materiallager gepackt, dann wieder umgepackt, daraufhin probehalber ein- und ausgepackt, damit in den entscheidenden Momenten auch wirklich nichts schief gehe.

 

Am Tag der Abfahrt konnte man sich von dem wohlüberlegten und durchdachten System selbst überzeugen. André zeigte jedem der es wissen wollte, seine schlau durchdacht gepackten Taschen, Rucksäcke, Kisten, Koffer und Mappen. Ich habe mir alles eingeprägt und gut gemerkt.

 

Die erste Panne gab es dann bereits auf dem Klausen. Fahrers Ersatzbrille war nicht dort, wo sie ursprünglich hätte sein sollen. Auf der zweiten Etappe war sie dort, wo sie während der ersten war, aber dort war sie am falschen Ort. In Aosta kam André auf die glorreiche Idee, den Rucksack mit den Hotelangaben und den Land- und Strassenkarten darin umzupacken, ohne mir aber bekannt zu geben, wo er was versorgt habe. In der Folge fand ich in Frankreich, am Fusse des Mont Blanc Massivs  nur die Schweizerstrassenkarten, was zur Folge hatte, dass ich an der entscheidenden Kreuzung wieder einmal André verfluchend im Honda meine Runden drehte – ohne Erfolg wie ja bereits alle Welt weiss.

 

Während der Nacht- und Morgenessen berichtet uns der Directeur stets das Neuste von der Kofferfront. Denn er ist ein ganz Schlauer. Schliesslich schleppt er nicht einen riesigen Koffer mit sich herum, wenn es auch mit einem kleinen geht. So hat er in dem kleinen Koffer mit den Rädern alles drin, was er tagtäglich braucht. Den nimmt er immer mit ins Hotel. Im grossen Koffer dann, den er im Honda lässt, befinden sich die anderen nicht dringend notwendigen Utensilien. Er hat, das hat er uns mehrmals versichert, die beiden Koffer selber und eigenhändig gepackt! Und das tut er, seit wir abgefahren sind auch weiterhin tagtäglich und ohne zu murren. Vom grossen Koffer in den kleinen und vom kleinen in den grossen, von da wieder zurück und so weiter. Diese Packerei hat zur Folge, dass er nie das im kleinen Koffer hat, das er gerade braucht. Er schleppt aber nicht etwa täglich grosse und kleine Koffer Treppen auf und ab. O nein, auch hier zeigt sich der wahre Kofferpackmeister in voller Grösse. Er packt die umzudisponierenden Dinge in einen Plastiksack und mit diesem geht er dann Treppauf und Treppab...

 

Die beiden männlichen Teilnehmer verbringen somit ihre Nichtrennzeit damit, ihre Packsysteme immer wieder auf’s Neue zu überdenken und das aktuelle bis ins kleinste Detail schlau durchdachte System in Tat umzusetzen.

 

Mir soll’s recht sein, ich habe schon zwei Krimis gelesen.