… und kann erst noch velofahren!

Würdigung des Weiblichen durch den Directeur

Dieser Text ist allen Schweizer Frauen, Jung-Frauen, Fräuleins und Mädchen bis 6 Jahren gewidmet. Aber vor allem einer Frau: Sibyl aus Ennenda (GL).

 

Es ist eine absolute Frauen-Würdigung, die längst auf der Tapir-Seite hätte auftauchen sollen. Renntechnischen Berichten aber immer weichen musste. Sorry, liebe, tapfere Sibyl! Du wurdest zwar immer wieder von mir erwähnt und gelobt, aber in anderen Funktionen, und vor allem aus andern Gründen.

 

Unsere Sibyl ist nämlich – neben vielem andern – eine echte Rad-Wanderin. Sie hören richtig: Die chäche, äusserst zähe Glarner Frau klettert wie eine Glarner Gämse (Chamois glaronais).

Auf der Bonette von einem fremden Directeur sportif fotografiert: Sibyl Rezgueni.

Aber alles der Reihe nach. Der Leser weiss bis jetzt, dass Sibyl mustergültig fotografiert, hervorragend Karte liest, Bidons reicht, Andrés Tenue-Wechsel auf der Passhöhe leitet, immer wieder Brillen putzt, mich fahrend verpflegt. Als Quartiermeisrerin verteilt sie die Schlüssel, verhandelt mit dem Hotel-Empfang und leitet den Zimmerbezug. An Ruhetagen übernimmt sie als Chef Logistik die Wäsche. Und murrt nie! Unglaublich.

 

Und jetzt zum Rad-Wandern. Als letzte, ultimative, strategische Waffe führen wir seit dem Start in Ennenda ein Mountenbike auf dem Dach spazieren. Für mich als eisernes Geheimnis gedacht und geplant (Rahmenbruch Villiger), für Sibyl ein Gerät zur Ausübung ihres knapp bemessenen Freizeit-Hobbys.

 

Schon nach der ersten Etappe in Andermatt machte sie sich fröhlich und locker auf die Socken. Immer gegen Süden, Richtung Furka. Der Siegfahrer und ich hatten andere Sorgen die da waren: Wie viel fahren ist gut am Ruhetag. Dieses Problem hatten wir erstaunlicherweise rasch gelöst. Resultat des Rapports: Keine Ausfahrt, kein Rollen. Gar nichts.

 

Das war auch der Grund, warum uns Sibyls langes Ausbleiben auffiel. «Richtung Furka – Sibyl ganz allein, das kann nicht gut gehen», dachte ich mir. Ab in den Honda und der abgängigen Frau nach. Hospental, Realp – keine Sibyl. Wo zum Teufel war sie und ihr Velo. Ich gebe offen zu, ich wurde unruhig. Ein seltener Zustand bei mir, weil ich mich seit Jahren in der Kunst der Langsamkeit übe. Nichts wie hoch in die ersten Kehren der Furka. Der Honda heulte, und ich schwitzte. Keine Sibyl. Die sucht Blumen, dachte ich. Oder Steine. Oder liegt in einem Abgrund. Oder hockt ganz einfach irgendwo!

 

Weiter im Text. Immer höher, immer unruhiger. Und dann auf halber Passhöhe eine kleine Frau auf einem grossen Rad. Gott im Himmel, sie lebt!

 

Das war, wie gesagt, ganz am Anfang. Heute weiss ich es besser. Sehr viel besser. Liebe Damen, liebe Fräuleins, halten Sie sich fest am Computer. Unsere Sibyl, diese tapfere, kleine Frau, Mutter zweier Kinder, hat unterdessen eine Riesenausfahrt in Martigny (Col de la Forclaz), eine in Bourg St-Maurice, auf den Izoard (2360 m ü/M) und heute den Col de la Bonette (2802 m ü/M), den höchsten befahrbaren Pass Europas, gemacht.

 

Und dies ganz allein. Immer am Tag bevor mein Siegfahrer in die Pedalen stieg. Einfach so. In einem gemächlichen und doch zügigen Tritt. Fabelhaft. Absolut super. Ich könnte sie stundenlang umarmen. Wollte ihr in meinem grenzenlosen Stolz über meinen grandiosen 2. Siegfahrer(in) Rosen kaufen. Aber der praktisch denkende Herr Maerz hat natürlich abgewunken mit der Begründung, sie könne ja die Blumen nicht mit ins Auto nehmen. Wo er recht hat, hat er recht!

 

Ich werde das zu Hause in irgend einer Form nachholen. Nochmals, liebe sportbegeisterte Frauen und Mädchen und Kinder, nehmt Euch ein Beispiel: Meine Siegfahrerin Nr. 2 hat den höchsten Pass Europas erklommen. Mit einer Höhendifferenz von 124 m auf den letzten knapp 500 m Länge. Mit Steigungen bis zu abenteuerlichen 18 (achtzehn) Prozent! Hat man da noch Worte? Sagenhaft.

 

Wir werden heute Abend ein Ehrenmahl für Sibyl veranstalten – mit einer extra grossen und vielseitigen Speisekarte...